Ein alter Freund von mir hat mir eine Mail zugesendet mit dem Text „Das hat mich fast umgehauen“. Dabei war ein Link zu einem Text aus dem Jahre 1993 von Albrecht Müller.
Wer ist Albrecht Müller? Albrecht Müller war vor langer Zeit in der SPD und dort Planungschef im Bundeskanzleramt unter Willy Brandt und Helmut Schmidt. Bis 1994 war er auch Mitglied des Bundestages für die SPD. Mittlerweile ist er seit langem Autor und Herausgeber der NachDenkSeiten.
Wer diesen Text von Albrecht Müller aus dem Jahre 1993 nicht in Gänze lesen möchte, hier ein paar Zitate daraus:
Wir erleben zur Zeit ein Feuerwerk an Propaganda für die Möglichkeit der Kriegsführung.
Das deutsche Volk soll weichgeklopft werden für den Einsatz der Bundeswehr außerhalb des NATO-Bereichs.
Und zum Schluss dieses Textes:
Die zur Zeit laufende Propagandaaktion zielt darauf, in einer meisterhaft angelegten Gehirnwäsche, aus den Köpfen unseres Volkes zu tilgen, was sich im letzten Krieg und im Anschluss daran festgesetzt hat: „Nie wieder Krieg!“ Diese drei Worte soll das deutsche Volk endgültig vergessen.
Ob das gelingt, wird auch von der SPD abhängen.
Wie gesagt, damals war Albrecht Müller noch Bundestagsabgeordneter für die SPD und hoffte, dass sich diese Partei wieder zu einer Anti-Kriegs-Politik hin entwickeln würde. Wie wir heute wissen, war das nicht der Fall. Die SPD ist leider eine Partei für den Krieg geworden. Dieser uralte Artikel zeigt aber auch: Die jetzige massive Aufrüstung der Bundeswehr (100 Milliarden einfach mal zusätzlich), ist von langer Hand (seit 1993) vorbereitet worden und hatte wenig bis nichts mit dem Krieg in der Ukraine zu tun.
Nun, seine Internetseite der NachDenkSeiten hat viele LeserInnen, ist also durchaus erfolgreich. Das heißt nicht, dass ich unbedingt jeden Artikel darauf teile, hier werden auch durchaus unterschiedliche Beiträge veröffentlich, was einer Demokratie (wenn man sie wirklich will) nur gut tun kann. Das Problem der NachDenkSeiten besteht aber darin, dass sie viele LeserInnen hat. Wer erfolgreich ist und zugleich die Politik von CDU/CSU, SPD, der GRÜNEN und der FDP gut untermauert auch hart kritisiert, den muss man doch einfach schlecht machen. Das hat mal wieder Wikipedia bewiesen, Zitat:
Müller gründete 2003 mit Wolfgang Lieb die Website NachDenkSeiten. Die kritische Website, eines der meistgelesenen politischen Blogs in Deutschland. Anfangs wurde es als wichtiger Bestandteil einer Gegenöffentlichkeit gelobt, sieht sich in den letzten Jahren jedoch vermehrt dem Vorwurf ausgesetzt, Verschwörungstheorien zu verbreiten.
Natürlich reicht es auf Wikipedia nicht, Müller nur als Verschwörungstheoretiker zu verteufeln. Zitiert wird hierin auch ein Beitrag von Thomas Gesterkamp aus der ehemals linken Zeitung „Neues Deutschland“:
Thomas Gesterkamp schrieb im Neuen Deutschland, dass Müllers Buch vor „Pauschalurteilen [strotze]“. Schon das Vorwort durchzögen „Gedankengebäude, die man eher im Umfeld der AfD vermuten würde – auch wenn Begriffe wie ‚Lügenpresse‘ nicht explizit auftauchen“. An diesem Buch „wirkt so unangenehm“, dass Müller einfach alles besser wisse: „Er ist stets der Schlauberger, der die ‚Versuche gezielter Beeinflussung unseres Denkens‘ durchschaut – während sich fast alle anderen Nutzer von Zeitungen, Radio, Fernsehen oder digitalen Netzwerken manipulieren lassen.“ Allzu sehr würden „manche der verwendeten Argumentationsmuster ihren Pendants von rechts“ ähneln
Ja, so einfach geht das heutzutage: Wenn Menschen oder politische Kräfte erfolgreich sind mit ihrer Kritik an der Politik in Deutschland, dann verteufelt man sie einfach als Verschwörungstheoretiker oder als rechts. Erinnert sei nur an die Kritik der Friedenskundgebung Anfang letzten Jahres in Berlin, initiiert von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht. Da hieß es dann, diese Demonstration sei „nach rechts offen“. Mit dem schlimmen Krieg im Nahen Osten geht das noch weiter. Wer es ernsthaft und auch noch erfolgreich wagt, die Politik der von Rechtsradikalen durchsetzten Regierung Netanjahu in Israel zu kritisieren, muss aufpassen, dass er nicht zu einem Antisemiten abgestempelt wird.
Die Entwicklung der SPD zu einer Kriegspartei hat in letzter Zeit immer weitere Formen angenommen. So fordert der Verteidigungsminister Pistorius, dass Deutschland wieder „kriegstüchtig“ werden soll. Bundeswehrsoldaten werden im Baltikum stationiert. Weiterhin möchte er, dass in Deutschland wieder eine Wehrpflicht eingerichtet werden soll. Das alles ist keine Friedens- sondern nur noch Kriegspolitik!
Unsere Mainstream-Medien und die Parteien (CDU/CSU, SPD, die GRÜNEN und die FDP) glauben anscheinend, dass es reicht, ernst zu nehmenden Kritikern einen Stempel aufzusetzen (Verschwörungstheoretiker, nach rechts offen oder Antisemit), damit man sich mit den Argumenten dieser Kritiker gar nicht ernsthaft auseinandersetzen muss. Was mir hingegen Hoffnung macht: Mir scheint es so, dass der Prozentsatz der Menschen in Deutschland, die diesen Argumenten weiterhin blind folgen, scheinbar kleiner wird. Natürlich finde ich es nicht gut, dass vom allgemeinen Unmut jetzt hauptsächlich die AfD profitiert. Wie Oskar Lafontaine es auf einem Beitrag am 24.01.2024 auf den NachDenkSeiten geschrieben hat: Die AfD ist keine Friedenspartei. Dennoch halte ich es für unredlich, wenn jetzt alle WählerInnen der AfD einfach als Nazis verschriehen werden.
Ich bin auch gegenüber den vielen großen Demonstrationen gegen die AfD in Deutschland durchaus etwas zwiegespalten. Zum einen finde ich es gut, wenn viele Menschen hier offen bekunden, dass sie gegen Nazis sind. Aber: Nicht alle AfD-WählerInnen sind Nazis. Auf der anderen Seite: Seit langem gehen in Deutschland viele Menschen unter der Losung Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg auf die Straße. Dieses „Nie wieder Krieg“ fehlt mir bei allen Aufrufen zu diesen Demonstrationen erheblich – sonst würden die Mainstream-Medien und die Parteien (CDU/CSU, SPD, die GRÜNEN und die FDP) das wahrscheinlich auch nicht so großartig verbreiten.